Einführung
Der Begriff „Karma“ ist in das globale Bewusstsein eingedrungen und hat weit über seine östlichen Ursprünge hinaus einen Platz im allgemeinen Sprachgebrauch gefunden. Trotz seiner Popularität entziehen sich die Nuancen und der spirituelle Reichtum, die in diesem Begriff stecken, oft einem genauen Verständnis. Im Kern bezieht sich Karma auf ein spirituelles Prinzip von Ursache und Wirkung, bei dem die bewussten Handlungen eines Menschen seine Zukunft beeinflussen. Dieser Artikel geht den Wurzeln des Karmas im Hinduismus und Jainismus nach und untersucht seine nuancierte Darstellung im Buddhismus, um anschließend seine metaphysischen Aspekte zu beleuchten. In weiteren Artikeln geht es um die Veränderung des Begriffes in unterschiedlichen Kulturen und zu unterschiedlichen Zeiten.
Karma im Hinduismus
Das Konzept des Karma hat seinen Ursprung in den alten Traditionen des Hinduismus. Die früheste Erwähnung findet sich in den Upanishaden, einer Sammlung von heiligen Abhandlungen der Hindus. Hier ist Karma untrennbar mit der Seelenwanderung bzw. Reinkarnation verbunden. Es besagt, dass die Qualität des gegenwärtigen Lebens eine Folge der Handlungen ist, die man in früheren Leben ausgeführt hat. Umgekehrt beeinflussen die Handlungen im jetzigen Leben auch die zukünftigen Existenzen.
Dieses Verständnis von Karma ist eng mit der hinduistischen Philosophie des Dharma oder der moralischen Pflicht verwoben. Die Bhagavad Gita, ein wichtiger Text in der hinduistischen Literatur, legt großen Wert auf „Nishkama Karma“, also selbstloses Handeln. Lord Krishna rät Arjuna, seine Pflicht zu erfüllen, ohne an den Früchten des Handelns zu hängen. Damit suggeriert er, dass tugendhaftes Handeln, losgelöst vom Verlangen, die Seele reinigt und zur spirituellen Befreiung oder Moksha führt.
Karma im Jainismus
Der Jainismus, eine weitere alte indische Religion, hat eine ganz eigene Interpretation von Karma. Für die Jains ist Karma nicht nur ein metaphysisches Prinzip, sondern hat eine physische Substanz, die das Universum durchdringt. Sie glauben, dass die Seele durch ihre Handlungen und Gedanken mit Karmapartikeln (karmic varna) belastet wird. Diese Partikel verdunkeln die inhärente Vollkommenheit der Seele und binden sie an den Kreislauf von Geburt und Tod.
Die Praxis des Jainismus konzentriert sich auf die Reinigung der Seele, indem sie von karmischen Partikeln befreit wird. Diese Befreiung wird durch ein rechtschaffenes Leben und asketische Praktiken erreicht, die den Schaden für alle Lebensformen minimieren, ein Prinzip, das als Ahimsa bekannt ist. Daher beeinflusst das Verständnis von Karma im Jainismus seine ethischen Grundsätze und asketischen Praktiken erheblich.
Karma im Buddhismus
Der Buddhismus hat zwar gemeinsame Wurzeln mit dem Hinduismus und dem Jainismus, bietet aber eine neue Perspektive auf Karma. Anstatt karmische Wirkungen einem metaphysischen oder göttlichen Prinzip zuzuschreiben, stellt der Buddhismus Karma als ein natürliches Gesetz dar, ähnlich wie die Gesetze der Physik.
Der Buddhismus verfeinert auch das Konzept des Karma, indem er zwischen der Handlung (Karma) und dem Ergebnis (Vipaka) unterscheidet. Der Buddhismus geht davon aus, dass die Natur der Handlungen (heilsam oder unheilsam) zwar das karmische Ergebnis beeinflussen kann, dass aber verschiedene Faktoren wie der Zeitpunkt, die Bedingungen und der Geisteszustand des Einzelnen diese Auswirkungen modulieren können.
Der Buddha beschreibt in der Nibbedhika Sutta Karma als Absicht. Jeder absichtliche Gedanke, jedes Wort und jede Tat sät die Saat für zukünftige Erfahrungen. Dieses Verständnis verleiht dem Karma im Buddhismus eine psychologische Dimension, die Achtsamkeit und ethisches Verhalten fördert.
Außerdem lehnt der Buddhismus im Gegensatz zu bestimmten hinduistischen Überzeugungen die Vorstellung einer ewigen Seele ab, die über die Lebenszeiten hinweg karmische Schulden trägt. Stattdessen vertritt er die Lehre von Anatta (Nicht-Selbst) und Paticcasamuppada (abhängiges Entstehen). Das Konzept von Anatta stellt die Dauerhaftigkeit der Identität in Frage und geht davon aus, dass das, was wir als ‚Selbst‘ betrachten, eine vergängliche Ansammlung von fünf Aggregaten (Form, Empfindung, Wahrnehmung, geistige Formationen und Bewusstsein) ist. Im Zusammenhang mit Karma deutet dies auf eine Kontinuität des Einflusses ohne die Seelenwanderung eines identischen Wesens hin.
Die abhängige Entstehung hingegen betont die voneinander abhängige und bedingte Natur aller Phänomene, einschließlich persönlicher Erfahrungen. Sie veranschaulicht, wie absichtliche Handlungen (Karma) zu Folgeerfahrungen (Vipaka) führen, die wiederum zukünftige Handlungen bedingen und so den Kreislauf von Geburt und Tod (Samsara) fortführen. So unterstreicht das buddhistische Verständnis von Karma das verschlungene Netz der Kausalität, das die Existenz durchdringt.
Die metaphysischen Aspekte: Das karmische Gesetz und der Kreislauf der Wiedergeburt
In all diesen östlichen Traditionen ist Karma von zentraler Bedeutung für das metaphysische Verständnis von Leben, Tod und Wiedergeburt. Karma dient als moralisches Gesetz, das den Kosmos regelt und ein gerechtes System sicherstellt, in dem jede Handlung eine angemessene Reaktion hervorruft. Diese kosmische Gerechtigkeit unterstreicht das moralische Gefüge dieser Philosophien und inspiriert zu ethischem Verhalten und spiritueller Verantwortlichkeit.
Der Kreislauf der Wiedergeburt oder Samsara steht für den kontinuierlichen Kreislauf von Geburt, Tod und Wiedergeburt, den fühlende Wesen durchlaufen, bis sie die spirituelle Befreiung (Moksha im Hinduismus, Nirvana im Buddhismus) erlangen. Karma dient als Motor dieses Kreislaufs, wobei die Qualität und die Umstände jeder Geburt durch die karmische Ansammlung aus früheren Leben bestimmt werden.
Diese östlichen Philosophien schlagen jedoch vor, dass man diesem unaufhörlichen Kreislauf entkommen kann. Im Hinduismus geschieht dies durch die Verwirklichung der eigenen göttlichen Natur und die Ausführung selbstloser Handlungen. Im Jainismus ist es die Erlangung eines Zustandes vollkommenen Wissens und Glückseligkeit (Kevala Jnana) durch die Beseitigung aller karmischen Materie. Im Buddhismus ist es die Verwirklichung des Nirvana, die Beendigung allen Leidens und die endgültige Überwindung von Samsara, die durch das Befolgen des Edlen Achtfachen Pfades erreicht wird.
Zusammenfassung
Das östliche Konzept des Karma beinhaltet tiefe spirituelle Einsichten in die Natur des Lebens, des Leidens und der Befreiung. Von seiner Entstehung im Hinduismus und Jainismus bis hin zu seiner komplizierten Formulierung im Buddhismus dient Karma als moralischer Kompass für ethisches Verhalten, als psychologisches Werkzeug zur Förderung der Achtsamkeit und als metaphysisches Prinzip, das die voneinander abhängige Realität der Existenz beleuchtet.
Diese Erkundung kratzt jedoch nur an der Oberfläche der reichen und komplexen Welt des Karmas. Die Feinheiten seines Zusammenspiels mit anderen spirituellen Konzepten, seine soziokulturellen Implikationen und seine Überschneidungen mit dem zeitgenössischen Denken bieten zahlreiche Ansatzpunkte für weitere Forschungen. Da die globale Spiritualität zunehmend eklektisch wird, ist das Verständnis von Karma in all seinen Dimensionen nicht nur eine akademische Übung, sondern ein wichtiger Schritt zur Förderung des interreligiösen Dialogs und des gegenseitigen Respekts.